Allgemeines Begutachtungsverfahren
Bei der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit durch Feststellung der Fähigkeiten in 6 verschiedenen Lebensbereichen, so genannten Modulen, ermittelt. Dabei werden verschiedene Kriterien mit Punktwerten versehen, die je nach Modul unterschiedlich gewichtet werden. Die Gesamtbewertung ergibt die Einstufung in einen von 5 Pflegegraden.
Einzelkriterien der 6 Module :
1. Mobilität
- Positionswechsel im Bett
- Halten einer stabilen Sitzposition
- Umsetzen
- Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs
- Treppensteigen
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld
- Örtliche Orientierung
- Zeitliche Orientierung
- Erinnern an wesentliche Ergebnisse oder Beobachtungen
- Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen
- Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben
- Verstehen von Sachverhalten und Informationen
- Erkennen von Risiken und Gefahren
- Mitteilen elementarer Bedürfnisse
- Verstehen von Aufforderungen
- Beteiligen an einem Gespräch
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten
- Nächtliche Unruhe
- Gegen sich selbst gerichtetes schädigendes oder aggressives Verhalten
- Beschädigen von Gegenständen
- Körperlich aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen
- Verbale Aggression
- Andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten
- Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen
- Wahnvorstellungen
- Ängste
- Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage
- Sozial inadäquate Verhaltensweisen
- Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen
4. Selbstversorgung
- Waschen des vorderen Oberkörpers
- Körperpflege im Bereich des Kopfs (Kämmen, Zahnpflege/Prothesenreinigung, Rasieren)
- Waschen des Intimbereichs
- Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare
- An- und Auskleiden des Oberkörpers
- An- und Auskleiden des Unterkörpers
- Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken
- Essen
- Trinken
- Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls
- Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma
- Bewältigung der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma
- Ernährung parental oder über Sonde
5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder
therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
- Medikation
- Injektion (unter die Haut oder in den Muskel)
- Versorgung intravenöser Zugänge (Port)
- Absaugen oder Sauerstoffgabe
- Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen
- Messung und Deutung von Körperzuständen
- Körpernahe Hilfsmittel
- Verbandwechsel und Wundversorgung
- Versorgung mit Stoma
- Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmitteln
- Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung
- Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung
- Arztbesuche
- Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu 3 Stunden)
- Zeitlich ausgedehnte Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als 3 Stunden)
- Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern
- Einhaltung einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
- Gestaltung eines Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen
- Ruhen und Schlafen
- Sich beschäftigen
- Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen
- Interaktion mit Personen im direkten Kontakt
- Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds
Es werden auch Kriterien berücksichtigt, bei denen ein Hilfebedarf im Bereich der Anleitung, Motivation und Schulung besteht.
Zusätzlich: Außerhäusliche Aktivität und Haushaltsführung
Auch Beeinträchtigungen in den Bereichen außerhäusliche Aktivität und Haushaltsführung werden bei der Pflegebegutachtung ermittelt. Diese beiden Bereiche werden allerdings nicht für die Einstufung in einen Pflegegrad herangezogen, sondern dienen dazu, einen passenden Versorgungsplan zu entwickeln.
Bei der Begutachtung werden zudem Maßnahmen ermittelt, welche die Pflegebedürftigkeit beseitigen, mindern oder eine Verschlimmerung verhindern. Hierunter können Verbesserungen des Wohnumfelds, die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln oder eine Medizinische Rehamaßnahme gehören.
Klassifikation der Selbstständigkeit
Die Punktebewertung der einzelnen Kriterien der Module 1, 2, 4 und 6 erfolgt anhand der Beurteilung der Selbstständigkeit. Diese ist wie folgt definiert:
- Selbstständig: Es besteht die Fähigkeit eine Handlung oder Aktivität allein, d.h. ohne Unterstützung einer anderen Person, aber ggf. mit Nutzung von Hilfsmitteln, durchzuführen.
- Überwiegend selbstständig: Der größte Teil der Aktivität kann alleine durchgeführt werden. Die Pflegeperson muss nur unterstützend tätig werden, z.B. durch Zurechtlegen von Gegenständen, einzelne Handreichungen, Aufforderungen oder um die Sicherheit zu gewährleisten.
- Überwiegend unselbstständig: Die Aktivität kann nur zu einem geringen Anteil selbstständig durchgeführt werden, aber eine Beteiligung ist möglich. Diese setzt ggf. eine ständige Anleitung oder Motivation voraus und Teilschritte müssen übernommen werden.
- Unselbstständig: Die Aktivität kann nicht eigenständig durchgeführt werden, auch nicht teilweise. Es sind kaum oder keine Ressourcen vorhanden. Die Pflegeperson muss nahezu alle (Teil-)Handlungen durchführen. Eine minimale Beteiligung des Pflegebedürftigen ist nicht zu berücksichtigen.